13. März 2024 | 14:00 Uhr
Um 40 Prozent
Klimawandel reduziert Schneetage in Skigebieten drastisch
Wie der Klimawandel die Zukunft der Skigebiete, des Schneesports und den Alpen im allgemeinen beeinflussen könnte. So dramatisch ist die Lage laut deutschen Wissenschaftlern jetzt um die Zukunft der Alpen-Skigebiete.
Der diesjährige Winter bricht Rekorde - jedoch nicht im Sinne von Schneemassen, sondern eher durch ungewöhnlich warme Temperaturen. Dieser ungewöhnliche Winter könnte einen Vorgeschmack darauf geben, was in Zukunft dank des Klimawandels zur Norm werden könnte: eine drastische Reduzierung der Schneetage in den Skigebieten. Ein aktuelles Forschungsteam aus Deutschland hat im renommierten Fachblatt "Plos One" Prognosen veröffentlicht, die die Situation weltweit beleuchten.
Dramatische Prognosen zur Zukunft der Alpen
Die Forscher um Veronika Mitterwallner von der Universität Bayreuth haben Daten aus sieben wichtigen Skiregionen der Welt gesammelt, in denen der Skitourismus eine bedeutende Rolle spielt. Dann rechneten sie Klimaszenarien mit unterschiedlichem Ausmaß an Treibhausgasausstoß bis zum Ende des Jahrhunderts auf die jeweiligen regionalen Gegebenheiten in den Alpen, den Anden in Südamerika, den nordamerikanischen Appalachen und Rocky Mountains sowie den Japanischen-, Australischen- und Neuseeländischen Alpen (Südalpen) um.
Durch die Anwendung verschiedener Klimaszenarien auf diese Regionen, rechneten sie bis zum Ende des Jahrhunderts mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Schneemengen aus. Bisherige Studien konzentrierten sich meist auf kleinere Gebiete, doch kenes Forschungsteam wählte einen globalen Ansatz.
Die Situation in den Skiregionen
Die Europäischen Alpen, als eine der wichtigsten Skiregionen der Welt, stehen besonders im Fokus der Untersuchung. Laut den Forschungsergebnissen vereinen die Alpen fast 70 Prozent der weltweiten Skigebiete auf sich, 15 Prozent der Skigebiete befinden sich demnach in den Rocky Mountains und sieben Prozent in Japan. Aus den neuen Analysen lasse sich ableiten, dass global gesehen eines von acht Skiresorts - also 13 Prozent - damit rechen müsse, im Zeitraum vom Jahr 2071 bis 2100 gar keinen natürlichen Schneefall mehr in der Wintersaison zu erleben.
"In allen großen Skiregionen wird unter jedem bewerteten Emissionsszenario mit einer substanziellen Abnahme der Tage mit natürlicher Schneedecke gerechnet", so Mitterwallner. Auch für Europa weisen die Zahlen dementsprechend nach unten - allerdings in recht unterschiedlichem Ausmaß: Das günstigste Szenario beschreibt stabile Durchschnittstemperaturen bei etwa 1,8 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau ("SSP1-2.6") um das Jahr 2100. In diesem Fall würde die durchschnittliche Anzahl an Tagen mit natürlicher Schneebedeckung über den gesamten Alpenbogen hinweg von 218 (im Zeitraum zwischen 1981 bis 2010) auf 184 in der Periode 2071 bis 2100 sinken. Bei diesem sehr optimistischen Ansatz würde sich damit die Schneetag-Anzahl gegenüber der momentanen Situation (Zeitspanne 2011-2040) kaum reduzieren.
Die Analysen zeigen, dass unter allen Szenarien ein drastischer Rückgang der Schneetage erwartet wird. Im optimistischsten Szenario, das von stabilen Durchschnittstemperaturen ausgeht, könnte die Anzahl der Schneetage bis zum Jahr 2100 im Durchschnitt um 34 Tage pro Saison zurückgehen. Im pessimistischsten Szenario, das von einem Temperaturanstieg von rund 4,4 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts ausgeht, könnte der Verlust an Schneetagen sogar bis zu 89 Tage pro Saison betragen.
Die Auswirkungen auf den Skitourismus
Die Ergebnisse sind alarmierend: Selbst im günstigsten Szenario, das von stabilen Durchschnittstemperaturen ausgeht, wird ein deutlicher Rückgang der Schneetage erwartet. In den pessimistischeren Szenarien könnte sich der Schneemangel noch drastischer auswirken, mit potenziell katastrophalen Folgen für den Skitourismus und die umliegende Bergbiodiversität. Dies würde nicht nur den Skisport beeinträchtigen, sondern auch zu erheblichen volkswirtschaftlichen Verlusten führen, wie eine separate Studie der Universität Innsbruck und der University of Waterloo in Kanada bereits aufgezeigt hat.
Unter solchen Hochemissions-Annahmen gäbe es vor allem in Australiens Skigebieten nahezu gar keinen Schnee mehr. Im SSP3-7.0-Szenario reduzieren sich die jährlichen Schneedeckentage in den Australischen Alpen um 78 Prozent, in den Neuseeländischen Alpen um 51, in den Japanischen Alpen um genau die Hälfte, in den Anden um 43 und den Europäischen Alpen um 42 Prozent. Am geringsten fallen die Reduktionen in den Appalachen (minus 37 Prozent) und den Rocky Mountains mit 23 Prozent im Vergleich zu 1981 bis 2010 aus.
Mit den wirtschaftlichen Effekten der heute schon vollzogenen Klimaerwärmung in Nordamerika setzte sich kürzlich eine andere Studie der Universität Innsbruck und der University of Waterloo (Kanada) auseinander: Im Fachblatt "Current Issues in Tourism" bezifferte das Team die volkswirtschaftlichen Verluste der US-Skiindustrie durch den Klimawandel in den vergangenen beiden Jahrzehnten mit über fünf Milliarden Dollar (rund, 4,6 Mrd. Euro).
Ungewissheit über die Zukunft des Skisports
"Unsere Ergebnisse weisen auf potenziell negative Entwicklungen sowohl für den Freizeit- und Wirtschaftswert des Skifahrens als auch für die Bergbiodiversität hin, da gefährdete Hochgebirgsarten durch den Raumverlust bei der Ausdehnung von Skigebieten bedroht sein könnten", so auch die Sportökonomin Mitterwallner zu der neuen "Plos One"-Arbeit.
Das heißt, dass sich rentable Skiresorts klarer weise immer höher oben und damit immer näher an den Hauptkämmen der Gebirgszüge befinden werden. Damit steige der wirtschaftliche Druck auf jetzt noch dünner besiedelte Rückzugsräume für die alpine Natur weiter, weil hier Infrastruktur ausgebaut würde. In dann noch schneeärmeren Ressort in tieferen Lagen näher an den Ballungsräumen müssten Liftbetreiber noch mehr als jetzt schon auf künstliche Beschneiung setzen, um noch möglichst flächendeckenden Betrieb zu garantieren.
Die Ergebnisse dieser Forschung geben einen ernüchternden Ausblick auf die Zukunft der Skigebiete, insbesondere in den Alpen. Der Klimawandel könnte nicht nur den Skisport, sondern auch die umliegende Natur und Ökologie beeinflussen.